Beckenbodentraining

Im unteren Beckenbereich sitzt eine der wichtigsten Muskelgruppen des Menschen: der Beckenboden. Er liegt zwischen Schambein und Steißbein und wird seitlich von den Sitzbeinhöckern begrenzt. Sein vielschichtiges Geflecht aus Muskeln und Bindegewebe hält Blase, Darm und Gebärmutter in ihrer Position und stabilisiert Bauch und Rücken. Außerdem ummantelt er Scheide, Enddarm und Harnröhre.

Seine erste von drei Hauptfunktionen ist das Anspannen, um den unteren Teil der Harnröhre, den Schließmuskel der Harnblase und den Anus gegen Inkontinenz zu schützen. Die zweite Funktion des Beckenbodens ist das Entspannen zum Wasserlassen, beim Stuhlgang, für das Erreichen von Orgasmus und der Erektion des Mannes. Die dritte Funktion ist das Gegenhalten bei Belastungen von außen.

Die Beckenbodenmuskulatur ist eingebunden in das Zusammenspiel mit anderen Muskelgruppen; sie arbeitet mit Atem-, Bauch- und Rückenmuskulatur zusammen. All das geschieht unwillkürlich, kann aber auch bewusst trainiert werden. Das ist besonders in den Fällen wichtig, in denen die Stabilität nachlässt.

Warum ist es wichtig, den Beckenboden zu trainieren?

Ein frühzeitiges Beckenbodentraining ohne äußeren Anlass beugt späteren Beeinträchtigungen und Krankheiten vor. Im Alter kann sich der Beckenboden abschwächen und es kommt zu der sehr unangenehmen Harninkontinenz. Auch der Darm kann von Inkontinenz betroffen sein.

Die gefürchtete Beckenbodensenkung tritt besonders nach Schwangerschaften ein. Darum ist es gerade in der Schwangerschaft und nach einer Geburt wichtig, Beckenboden-Übungen einzuüben und durchzuführen. Je früher hier begonnen wird, umso leichter wird es nach der Geburt und nach Operationen sein, die geschwächte Muskulatur wieder aufzubauen und der Gebärmuttersenkung entgegenzuwirken.

Bei Frauen und Männern kann es auch nach Prostataoperationen zur Schwächung des Beckenbodens kommen. Inkontinenz, Erektionsproblem und Organsenkungen können hier eine Folge sein. Mit gezieltem Training kann hier ebenfalls vorgebeugt und die Muskulatur nach dem Eingriff aufgebaut und gestärkt werden.

Die Beckenbodenmuskulatur stärken

Die besondere Schwierigkeit, diese Art der Muskulatur zu stärken, liegt darin, dass sie kaum wahrnehmbar ist. Möchten man die Beckenbodenmuskulatur stärken, so ist es für den Übungseffekt zunächst wichtig, die Region genau zu spüren und zu wissen, wo die Spannung liegen muss. Mit einer einfachen Tastübung findet man leicht heraus, wie es sich anfühlt und worauf man sich in allen Übungen konzentrieren muss.

In bequemer Rückenlage können Männer den Damm zwischen Hodensack und After ertasten. Bei Frauen liegt die Region zwischen Scheide und After. Nun gilt es, diesen Damm so hoch wie möglich in Richtung Körper zu ziehen. Wenn hier Spannung ertastet werden kann, ist die richtige Muskulatur getroffen. Hat der Patient die Beckenbodenmuskulatur einmal bewusst wahrgenommen, dann fällt es von Übung zu Übung leichter, sie anzuspannen und diese Spannung zu halten.

Übungen für Kraft, Ausdauer und Schnellkraft trainieren den Beckenboden sehr effektiv:

  • Der Kräftigung dient es, die Muskeln fest anzuziehen, für fünf Sekunden zu halten und dann loszulassen. Diese Übung sollte 15 Mal wiederholt werden.
  • Bei der Ausdauerübung wird der Beckenboden leicht angespannt, dass die Spannung gerade spürbar ist. Diese Stellung wird 25 Sekunden gehalten.
  • Bei der Übung zur Schnellkraft wird 10 Mal kurz und fest angespannt und wieder entspannt.

Kombiniere diese Übungen nach Belieben, um den Beckenboden zu kräftigen. Sie können zwei bis dreimal täglich an jedem Ort und zu jeder Gelegenheit durchgeführt werden, ohne dass es besondere Hilfsmittel braucht.

Entspannung und Entlastung für den Beckenboden

Ein verspannter Beckenboden kann schmerzhaft sein und zu lästigem Harndrang führen. Deshalb sind gezielte Übungen zum Entspannen des Beckenbodens ebenfalls wichtig.

Übungen zur Beckenboden-Entspannung:

  • Bequem auf der Sitzfläche eines Stuhls sitzen und die Knie aus dem Becken heraus abwechselnd nach vorne schieben, hilft der Muskulatur beim Entspannen.
  • In entspannter Rückenlage die Beine anziehen und langsam zur Seite kippen lassen, dabei die Fußsohlen möglichst aneinander legen, mit der Hand einen leichten Druck auf den Damm ausüben, 30 Sekunden halten und entspannen.

Auch das Dehnen der Muskulatur dient dem Training von Anspannung und Entspannung:

  • Auf einem Stuhl sitzen und dabei ein zusammengefaltetes Handtuch unter eine Hälfte des Pos legen, etwa fünf Minuten so sitzen bleiben und dann das Handtuch unter die andere Pohälfte schieben.
  • Eine Wärmflasche auf den Bauch legen entspannt nicht nur, sondern fördert zusätzlich die Durchblutung des Beckenbodens.

Tipps und Übungen zur Stärkung des Beckenbodens

Zur Unterstützung der Beckenbodenmuskulatur ist es hilfreich, eine gut trainierte Bauch- und Rückenmuskulatur zu haben. Außerdem ist es nützlich, beim Aufheben und Tragen von Gegenständen die richtige Haltung einzunehmen und dabei bewusst den Beckenboden anzuspannen. Zusätzlich entlastet es den Beckenboden, wenn beim Husten und Niesen Kopf und Oberkörper seitlich nach hinten gedreht werden.

Übungen auf Gymnastikbällen und Sitzkissen erleichtern es, den Beckenboden zu spüren; ein Hula-Hoop-Reifen stärkt die Muskulatur rund um den Bauch. Ausdauersportarten wie Schwimmen, Joggen, Walking oder Radfahren tragen ebenso dazu bei, seine Muskeln zu trainieren und zu stärken.

Zwei weitere beliebte Beckenbodenübungen:

  • Einseitiger Beinstand
    Aufrecht stehen und beide Arme seitlich ausstrecken, das rechte Bein beugen und in Richtung Brust ziehen, diese Position wird ein paar Sekunden gehalten, dann mit dem linken Bein durchgeführt. Bei dieser Übung wird der Beckenboden automatisch angespannt, sie fördert zudem Koordination und Gleichgewichtssinn.
  • Beidbeiniger Beckenlift
    In Rückenlage, mit fest in den Boden gestellten Fersen und angespanntem Beckenboden, wird das Becken angehoben. Ideal ist, wenn Oberschenkel und Oberkörper dabei eine gerade Linie bilden. Die Spannung wird ein paar Sekunden gehalten, dann wird das Becken langsam wieder abgesenkt. Wer schon etwas fortgeschrittener bei gymnastischen Übungen ist, kann die Wirkung verstärken und abwechselnd die Beine anheben und waagerecht in die Luft strecken. Diese Übung stärkt auch die hinteren Oberschenkel, den Po und den unteren Rücken.

Entdecke weitere Übungen für den Beckenboden.

Beckenboden-Hilfsmittel zum Trainieren

Frauen haben die Möglichkeit, mit besonderen Hilfsmitteln ihre Beckenbodenmuskulatur von innen her zu stärken. Dazu werden Kugeln, Kegel oder ähnliche Hilfsmittel (Vaginalkonen) in die Scheide eingeführt. Diese erhöhen den Trainingseffekt der Übungen.

Vaginalkonen sind unterschiedlich kleine Gewichte, die wie ein Tampon eingeführt werden. Sie sitzen dann richtig, wenn sie nicht mehr zu spüren sind. Das Training beginnt mit dem leichtesten Konus. Wenn dieser ohne Mühe beim Gehen oder Stehen länger als eine Minute gehalten werden kann, kann der nächstschwerere Konus eingeführt werden. Die Übungszeit sollte täglich zweimal 15 Minuten betragen.

Manche Ausführungen können mit dem Smartphone verbunden werden und geben Biofeedback über den Trainingserfolg.

Mütter können gleich nach der Geburt in einem Rückbildungsprogramm auch Beckenbodenübungen mit Kugeln oder Vaginalkonen einbauen, allerdings in den ersten acht Wochen nur vorsichtig und schonend.

Beckenbodentrainer für Android und Apple

Mittlerweile gibt es auch Beckenbodentrainer mit App, die sich per Bluetooth mit dem Smartphone verbinden lassen und verschiedene Trainingsprogramme zum Üben anbieten. Die Trainer sind aus medizinisch unbedenklichem Silikon, wasserfest und leicht zu reinigen. Sie werden als Kegel (Konus) angeboten und sind nur wenig größer als ein Tampon. Durch verschiedene Aufsätze können sie der Größe nach angepasst werden.

Nach dem Einführen messen Drucksensoren die Kontraktionen der Muskulatur und geben über die App Feedback in Echtzeit. Die Workouts dauern zum Beispiel zwischen 5 und 20 Minuten und bestehen aus verschiedenen Übungen und Schwierigkeitsgraden, die ganz auf die Bedürfnisse der Übenden ausgerichtet sind. Manche Geräte bieten mittlerweile Übungen an, die mit Spielen verbunden sind, sodass das gesamte Training eher auf spielerische Art geschieht. Durch regelmäßige Updates können gelegentlich neue Übungsvariationen abgerufen werden.

Manche Anbieter von Beckenbodentrainer-Apps gehen auf die individuellen Bedürfnisse der Übenden ein. Diese können sich für ihr Training zum Beispiel ein Präventivprogramm, ein Programm für die Zeit vor und nach der Schwangerschaft, ein Dranginkontinenz-Programm, ein Stressinkontinenz-Programm oder ein Programm für intimes Wohlbefinden auswählen.

Beckenbodentrainer als Therapie

Beckenbodentrainer in der Physiotherapie

In physiotherapeutischen Praxen stehen besondere Geräte zum Beckenbodentraining bereit, mit denen Patienten vollständig bekleidet trainieren können. Sie werden durch den Physiotherapeuten am Beckenbodentrainer eingewiesen und testen dann darauf ihre Muskelkraft aus.

Ein solches Gerät kann ermitteln, welche Bereiche besonders trainiert werden müssen. Daraus wird ein passender Trainingsplan erstellt. Am Monitor verfolgen die Patienten im Laufe der Behandlung ihre Trainingserfolge. Für diese Art des Trainings kann der Hausarzt oder Frauenarzt bei Bedarf ein Rezept für eine Krankengymnastik mit Beckenbodentraining ausstellen.

Beckenbodentrainer auf Rezept

Diagnose Inkontinenz – das ist unangenehm und der Leidensdruck Betroffener ist groß! Der Griff zur Erwachsenenwindel kann in manchen Fällen durch Beckenbodentraining ganz vermieden oder um Jahre hinausgezögert werden.

Stellt der Arzt die Diagnose „Belastungsinkontinenz“ oder „Stressinkontinenz“, dann gibt es verschiedene Möglichkeiten der Therapie. Unter anderem besteht dann die Möglichkeit, einen Beckenbodentrainer auf Rezept für zu Hause zu bekommen, und nur eine geringe Zuzahlung selbst zu bezahlen.

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